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Lesung mal anders!

Unter dem Motto "Klassik trifft Pop - gibt es gutes und schlechtes Lesen?" lasen und diskutierten am 23.04. zum Unesco-Welttag des Buches je zwei Prominente in fünf deutschen Städten.
Im Festsaal der Uni Frankfurt traten Musiker Smudo und Filmregisseur Detlev Buck zur Lesung an. Im Gepäck haben sie zwei Bücher, die auf den ersten Blick kaum gegensätzlicher sein können. Smudo, der, wie er selbst sagt, neben Zeitung und der Rückseite von Cornflakespackungen, auch Bücher liest, vertrat mit Benjamin von Stuckrad-Barres "Soloalbum" die Abteilung Pop. Schnell begeisterte er die Zuschauer durch seine lockere Art des Vortragens über einen verzweifelten Helden, der gerade von seiner Freundin verlassen wurde. Mit Hilfe von Alkohol und Musik versucht er sich zu trösten. Dies gelingt ihm natürlich nicht. Stattdessen wünscht er sich die Verflossene nur um so sehnlicher zurück.
Anschließend zückte Detlev Buck sein gelbes Reclamheftchen und las als Kontrastprogramm aus Goethes Klassiker "Die Leiden des jungen Werther". Ein harter Brocken für die rund 370 Zuschauer im überfüllten Festsaal. Da hatte man sich gerade an umgangssprachliche Vokabeln wie "fuck" und "krass" gewöhnt, schon musste man sich ins Jahr 1774 zurückversetzen, um in die Welt von Lotte und Werther einzutauchen. Buck las in seiner sympathischen, etwas nuscheligen Art von Werthers Liebe zu Lotte. Trotz ihrer Seelenverwandtschaft bleibt diese Liebe unerfüllt, da Lotte bereits mit dem Langweiler Albert verlobt ist. Werther leidet also genauso an der Liebe wie der Held aus "Soloalbum". Aber statt sich mit Musik und Alkohol zuzudröhnen, setzt Werther noch einen drauf und gibt sich am Ende die Kugel.
Nach Bucks Lesung kommentierte Smudo den Klassiker mit "cool", wodurch er die Zuschauer schnell wieder ins Jetzt katapultierte. Gleichzeitig drückte er damit aus, dass Werther zu seiner Zeit eigentlich genauso cool war wie der Ich-Erzähler aus "Soloalbum" heute.
(jri)